ANDRÉ STERN - …und Ich war nie in der Schule by ANDRÉ STERN
Autor:ANDRÉ STERN [STERN, ANDRÉ]
Die sprache: eng
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2015-12-18T16:00:00+00:00
Der Mann, der dort über eine offene Gitarre gebeugt arbeitet, hebt den Kopf, ohne seine Tätigkeit zu unterbrechen, und grüßt mich zwanglos. Seine Hände hantieren im Gitarrenkörper mit einem feinen, länglichen Werkzeug.
Der Mann ist Werner Schär. Nach dem Austausch der üblichen Höflichkeitsfloskeln erkläre ich ihm den Grund meines Besuches, wie ich es schon dutzendmal getan habe. Ich trage mein Anliegen geradezu scherzhaft vor, so sicher bin ich mir, die Antwort bereits zu kennen:
- »...und werden Sie mir zeigen, wie man eine Gitarre baut?«
- »Ja.«
Mir verschlägt es die Sprache.
Große Ereignisse künden sich mir für gewöhnlich nicht mit Pauken und Trompeten an.
Ich finde meine Sprache wieder:
- »Ab dem Herbst, zu Beginn des neuen Schuljahres?«
- »Einverstanden.«
Wir besprechen noch einige Details, und ich verlasse die Werkstatt nach kaum zehn Minuten.
Mein Umfeld nimmt alles sehr selbstverständlich auf.
In den folgenden Wochen nehme ich keinen Kontakt mit Werni auf, sondern organisiere alles, um Paris für eine gewisse Zeit verlassen zu können. Nach den Sommerferien setze ich meine Tätigkeiten dort nicht fort, sondern nehme offiziell eine Auszeit.
Im September ziehe ich zu Franziska, die 30 Kilometer von Chur entfernt lebt.
Sobald ich meine Sachen ausgepackt habe, rufe ich Werni an. Einige Tage lang zögert er, dann nennt er mir den Zeitpunkt für ein erstes Treffen in seiner Werkstatt. Mittlerweile weiß ich, dass er damals nicht damit gerechnet hat, dass ich mein Vorhaben vom Frühjahr in die Tat umsetzen würde.
Er empfängt mich an einem Nachmittag, zeigt mir verschiedene Dinge, ein wenig wie bei einer Touristenführung. Aber bei dieser Besichtigung lerne ich nichts, was ich nicht schon aus den Büchern kenne, und Werni wird schließlich bewusst, dass ich kein Urlauber auf der Suche nach ein paar Ansichtskarten bin.
So holt er einen Stapel goldfarbenen Holzes hervor und legt ihn auf eine Hobelbank. Dann bringt er seinen kostbaren Hobel, stellt ihn daneben und sagt: »Hier hast du Holz und Werkzeug. Bau dir eine Gitarre. Ich arbeite gerade selbst an einer; ich kann dir also alle Handgriffe, alle Arbeitsschritte zeigen; aber ich kann dir dieses Handwerk nicht beibringen, ich kann es dir nur zeigen.« Damit hat der wunderbare Werni mir gerade die Formel geliefert, mit der ich von nun an meine Vorstellung von einem Meister beschreiben kann: ein Mensch, der einen Schritt für Schritt auf dem Weg des Lernens in der Praxis begleitet, ohne einem vorauszueilen, ohne einen mit einer vorgefertigten Methodik zu erschlagen, ohne einem durch Prüfungsvorbereitungen die Kraft zu rauben, ohne einem Multiple-Choice-Tests oder einen Zeitplan aufzuzwingen.
Noch erwähnen muss ich, dass er mir kein minderwertiges Holz oder schäbiges Werkzeug, sondern umgehend das beste Material zur Hand gab. (Genauso halte ich es übrigens für eine Unsitte, Anfängern auf der Gitarre erst einmal ein »Einsteigerinstrument« zuzumuten, eine Gitarre von niedriger Qualität aus minderwertigen Materialien und von jämmerlichem Klang, die schlecht justiert und deren Körper plump ist, woraus sich zwangsläufig eine unbequeme Handhabung ergibt. Denn so sind Enttäuschungen vorprogrammiert.)
Werni hat mich keinerlei vorbereitende Übungen mit Ausschussmaterialien machen lassen. Ich muss nicht wie andere Lehrlinge zunächst niedere Arbeiten verrichten oder 50 Mal das gleiche Stück anfertigen, bevor ich zu anspruchsvolleren Dingen übergehen darf.
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